Armenien im Winter
Im Februar 2017 fuhr ich mit dem Velo durch Armenien. Lange hatte ich mich auf die Winteretappe meiner Reise gefreut, denn die gesponserte Schlafmatte von Exped und der von Mammut als Testschlafsack zur Verfügung gestellte Kunstfaserschlafsack gaben mir die Möglichkeit, auch in eisiger Kälte in meinem Zelt zu übernachten.
Fahrradfahren im Winter unterscheidet sich deutlich vom Fahrradfahren im Sommer. Zum Beispiel überquerte ich in Armenien mehrere Pässe. Normalerweise ist bei einem Pass die Abfahrt die Belohnung für den Aufstieg. Doch im Winter ist die Abfahrt oft herausfordernder, weil man aufgrund der verschneiten und teilweise vereisten Strasse sehr vorsichtig fahren muss, insbesondere nach frischem Schneefall ist eine Abfahrt eine mühsame Tortur. Aber auch die Kälte an sich macht das Pässefahren anspruchsvoller. Zum Hochfahren sollte man nur so viele Kleider anziehen, dass man nicht schwitzt. Doch bei der Abfahrt, bei welcher man ja nicht mehr aktiv ist, kühlt man sehr schnell aus. Anstatt erst auf der oft windigen Passhöhe kalte Kleidung aus meinen Taschen herauszuholen und diese für die Abfahrt anzuziehen, zog ich jeweils einige Minuten vor dem Erreichen des Passes weitere Kleidungsschichten an. So hatte ich die Möglichkeit, meinen Körper durch meine Aktivität erneut aufzuwärmen und dann, nach dem Erreichen des Passes, sofort die Abfahrt anzutreten.
Auch wenn ich tagsüber eine kleine Essenspause einlegen wollte, zog ich eine weitere Kleidungsschicht an, fuhr einige Minuten weiter und stoppte dann, um etwas zu essen. Nach dem Essen fuhr ich einige Minuten mit den zusätzlichen Kleidern, bis ich mich wieder aufgewärmt hatte und eine Kleidungsschicht ausziehen konnte. Beim Fahrradfahren im Winter legt man pro Tag deutlich weniger Kilometer zurück als im Sommer. Das liegt zum einen daran, dass man auf verschneiten Strassen deutlich langsamer unterwegs als auf asphaltierten Strassen, da die Räder auf (frischem) Schnee viel weniger gut rollen. Zum anderen verbringt man pro Tag auch weniger Zeit auf dem Fahrrad, weil man morgens und abens viel mehr Zeit im Zelt benötigt.
Zelten im Winter
Natürlich ist auch das Übernachten im Zelt im Winter etwas ganz anderes als im Sommer. Um herauszufinden, wie warm der neue Schlafsack in Kombination mit der neuen Schlafmatte tatsächlich ist, stellte ich mein Zelt auf dem ersten zu überquerenden Pass bei Temperaturen im zweistelligen Minusbereich auf. Zwar hatte ich auf meiner Reise mein Zelt schon oft bei kalten Temperaturen aufgestellt, doch in Armenien dauerte es deutlich länger, bis das Zelt stand, da es für mich das erste Mal war, dass ich mein Zelt in relativ tiefem Schnee aufbaute. Ich suchte eine geeignete Stelle und fing an, den luftigen Pulverschnee mit den Händen weg zu „schaufeln“, bis ich auf genug harten Schnee stiess, um mein Zelt aufzustellen. Das war zwar anstrengend, doch hielt mich das „Schaufeln“ warm. Um das Zelt zu verankern, grub ich an den entsprechenden Stellen ebenfalls bis zum harten Schnee, wo ich dann die normalen Heringe gut und sicher einschlagen konnte. Natürlich war ich schon sehr hungrig, doch beim Campen im Winter dauert alles viel länger als im Sommer, weil als nächstes musste ich (ganz sauberen) Schnee herbeischaffen, welchen ich dann auf der einen Seite in der Apsis (Platz zwischen Innen- und Aussenzelt) deponierte, damit ich (potentielles) Wasser zur Verfügung hatte. Nachdem ich meine Schlafmatte aufgepumpt hatte, konnte ich mich ins Zelt verkriechen. Die Handschuhe hing ich an eine Schnur im Innern des Zeltes. Danach packte ich meinen Schlafsack aus, zog die Schuhe und die Winterhosen aus und hielt meine Beine in den Schlafsack. Anschliessend stellte ich den Kocher im Vorzelt auf. In meinen kleinen Topf füllte ich Pulverschnee und stellte ihn auf den Kocher. Ich musste sofort beginnen, mit dem Löffel den Schnee und später das Gemisch aus Schnee und Wasser umzurühren, bis der ganze Boden des Topfes mit Wasser bedeckt war. Danach konnte ich immer mehr Schnee dazugeben. Zum Glück hatte ich auch schon in China und in anderen Ländern Wasser aus Schnee gewonnen und so wusste ich, wie wahnsinnig viel Schnee man benötigt um einige Liter Wasser zu erhalten. Währendem mein Kocher sich um die Wassererzeugung kümmerte, rüstete ich angefrorenes Gemüse und gab immer wieder eine Ladung Pulverschnee in den Topf. Das Verwenden des Kochers im Zelt führt dazu, dass die Temperatur im Zelt spürbar steigt, wodurch ich keine Handschuhe tragen musste. Der Nachteil des Kochens im Zelt ist, dass sich Wasserdampf an der Innenseite des Aussenzelts sammelt und nach einigen Minuten dort gefriert. zwar versuchte ich jeweils, den Eingang des Zeltes zu öffnen, so dass der Wasserdampf hinausgelangen konnte, doch dieser „Dampfabzug“ funktioniert natürlich nicht perfekt. Nachdem ich mir meine Thermosflasche mit heissem Tee gefüllt und mein Abendessen gegessen hatte, konnte ich mich endlich schlafen legen.
Als ich am nächsten Morgen erwachte und mich aufrichtete, berührte ich mit dem Kopf das Innenzelt, welches in der Nacht auch gefroren war, und so „schneite“ es mir auf den Kopf. Das passierte mir nach jeder kalten Nacht. Das erneute Schneeschmelzen und Kochen sowie das Zusammenpacken meiner Ausrüstung nahm auch am Morgen viel Zeit in Anspruch. Als ich endlich aus dem Zelt kroch, betrug die Temperatur -15 Grad. Vermutlich war die Temperatur in der Nacht noch tiefer gesunken, doch während dem Schlafen spürte ich nie die Kälte.